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"Einheit"

Kaan Orhon
12.06.2015

Bismillah

Gedanke zum Freitag: Heute von Kaan Orhon, RAMSA-Vizepräsident und Islamwissenschaftler aus Göttingen

Allah der Erhabene sagt in Seinem Buch in der ungefähren Übersetzung:

„Und haltet alle fest am Seil Allahs und geht nicht auseinander! Und gedenkt Allahs Gunst an euch, als ihr Feinde wart und Er dann eure Herzen zusammenführte, worauf ihr durch Seine Gunst Brüder wurdet.“ ((Al-i-IImran:103))

Der gesegnete Monat ist fast zu uns zurückgekehrt. Vor allem anderen will ich danken, dass ich ihn, so Allah der Erhabene will, noch ein weiteres Mal erleben werde. In den Wochen die vor uns liegen werden sich viele von uns wieder zum Fastenbrechen nicht nur mit Familie und Freunden versammeln, sondern auch mit Vertretern anderer Vereine, Verbände, Organisationen sowie mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen.

Diese Fastenbrechen sind eine Institution in Deutschland geworden, fast jeder Verband, jede Gemeinde lädt einmal andere ein, Botschaften laden ein, Ministerien. Selbst andere Glaubensgemeinschaften markieren so unseren gesegneten Fastenmonat. Auch die unter dem Dach des RAMSA versammelten Hochschulgruppen sind mit ihrer eigenen Iftar- Tradition für Studierende, Universitätsmitarbeiter und Gäste eine Facette dieses gemeinsamen Ramadan-Erlebens in Deutschland.

Allah, so steht es oben, führt unsere Herzen zusammen. Durch den Islam natürlich generell, aber, so empfind sicher nicht nur ich es, ganz besonders im Ramadan, wenn wir miteinander das Fasten brechen. Kaum zu einer anderen Zeit empfinden wir die Brüderlichkeit (und Schwesterlichkeit) so intensiv.

Umso mehr bedrückt es, dass einige scheinbar nicht davon lassen können, wieder „Feinde“ zu werden, so wie die gesegnete Zeit vorbei ist. Die Einheit, die am Iftar-Tisch so gerne beschworen wird, und die man dort durchaus auch empfindet, überlebt zu selten die Festtage. Nach denen beginnt wieder das Tagesgeschäft. Konkurrenz, Zweigesichtigkeit, ein unethischer Schlagabtausch in der Öffentlichkeit, besonders gerne im Internet jagt den nächsten.

Wenn man sich mit dem Nachbarn nicht in allen Punkten 100%ig einig ist, man vielleicht zu einer Sache – oh, Schreck – eine unterschiedliche Auffassung hat, macht man lieber seine eigene Gruppe, seinen eigenen Verband, sein eigenes Projekt, anstatt an dem mitzubauen, was schon besteht.

Womit ich nicht sagen will, dass zu viele Organisationen das Problem sind. Manchmal wenn man Leute über „die Einheit der Muslime“ reden hört, kann man den Eindruck gewinnen, ihre Vision erschöpft sich in einer – natürlich hierarchisch gegliederten – muslimischen SED, einem Einheitsverband mit einer Massenorganisation für Frauen, einer für Jugendliche, einer für…

Es braucht spirituelle, geistige Einheit und daraus fließend eine andere Art des Umgangs und des Sprechens mit- und übereinander. Dann können organisatorische Strukturen zusammenwachsen… oder nicht. Eine diverse Organisationslandschaft zu haben ist dann kein Problem mehr sondern (wieder) eine potentielle Stärke. Zwei Verbände oder Vereine, die im guten Wetteifern, sind besser als einer, der statisch und introvertiert an der Gesellschaft vorbei existiert – solange der Geist der Iftar-Tafel das ganze Jahr hindurch unser Denken, Sprechen und Handeln prägt.

Möge unser Schöpfer und Versorger uns auch die letzten Tage bis zur Wiederkehr des gesegneten Monats erhalten, möge Er uns auf die beste Weise in ihn eintreten lassen, unser Fasten annehmen und den Segen dieser Tage in uns bewahren, wenn der König der Monate uns wieder verlässt. Amin.

In diesem Sinne wünscht euch der Vorstand des RAMSA einen gesegneten Freitag, ein schönes Wochenende und einen gesegneten Start in den Ramadan.