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Eine zweite Chance

Kaan Orhon
21.10.2016

Bismillah
Gedanke zum Freitag

Heute von Kaan Orhon, Mitglied des Ältestenrates und Islamwissenschaftler aus Göttingen

Allah der Erhabene sagt in Buch in der ungefähren Übersetzung:
„Nicht gleich sind die gute Tat und die schlechte Tat. Wehre mit einer Tat, die besser ist, (die schlechte) ab, dann wird derjenige, zwischen dem und dir Hass war, so, als wäre er ein warmherziger Freund.“ ((Fussilat:34))

Vor einigen Wochen kursierte eine Meldung durch die sozialen Netzwerke. Ein ehemaliger Politiker der rechtsextremen NPD hat den Islam angenommen, der rassistischen Weltsicht abgeschworen und unterstützt heute geflüchtete Menschen aus Afghanistan, Syrien und anderswo.

Eine schöne Nachricht ohne Zweifel, aber eine, die allen, besonders aber den politisch und gesellschaftlich engagierten von uns, auch zu denken geben und eine Mahnung sein sollte.

In der Auseinandersetzung mit einem politischen oder weltanschaulichen Widersacher, ganz gleich wie überzeugt wir seine Ideologie ablehnen, sollten wir nie vergessen, dass es sich auch bei „den anderen“ um Menschen handelt. Menschen, die sich verändern können und nicht um Ungeheuer, die unwandelbar böse und schlecht sind.

Und ob es Menschen gelingt, sich von rassistischen, extremistischen und menschenfeindlichen Ideen loszusagen und einen anderen Weg zu beschreiten, das hat durchaus auch mit uns zu tun und damit ob wir, die Gesellschaft als Ganzes, ihnen offene Türen anbieten, eine Perspektive für das Leben nach dem Ausstieg. Leider findet sich bei einigen Menschen, die sich als Antifaschisten oder Antirassisten verstehen, die Haltung „Einmal Nazi, immer Nazi“. Auch der Aussteiger ist für sie ewig mit dem Makel seiner Vergangenheit behaftet und ist weiter ein Feind, den es zu bekämpfen gilt.

Dass solche Haltungen auch in innermuslimischen Diskursen leider verbreitet sind, ist bekannt. Ich will nicht im Einzelnen die politischen, konfessionellen und anderweitigen ideologischen Konflikte aufzählen, die gegenwärtig in Deutschland und in mehrheitlich muslimischen Ländern ausgetragen werden. Es genügt zu sagen, dass auch hier jeder einzelne von uns gut daran täte, sich fortwährend zu erinnern, dass „auf der anderen Seite“ Menschen stehen, die sich ändern können und die, auch wenn sie sich nicht ändern, im Besitz der uns allen gemeinsamen Menschenwürde sind. Und diese gilt es bei aller politischen Auseinandersetzung zu achten.

Das hat nichts damit zu tun, menschenfeindliche Einstellungen zu tolerieren, Rassismus, Extremismus und dergleichen Raum zu lassen. Es ist sehr wohl möglich, Ideologien zu bekämpfen, ohne ihre Anhänger vollständig zu entmenschlichen. Es verlangt nur mehr von jedem von uns.

In diesem Sinne wünscht euch der RAMSA einen gesegneten Freitag und ein schönes Wochenende.


Von: Kaan Orhon aus Göttingen, Islamwissenschaftler und Mitglied des Ältestenrates