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Ein Blick zum Horizont

Kaan Orhon
03.10.2014

Bismillah

Gedanke zum Freitag
Heute von: Kaan Orhon, RAMSA-Vizepräsident und Islamwissenschaftler aus Göttingen

Allah der Erhabene sagt in Seinem Buch in der ungefähren Übersetzung:

 „So fürchtet nicht sie, sondern fürchtet Mich! Heute habe Ich euch eure Religion vervollkommnet und Meine Gunst an euch vollendet, und Ich bin mit dem Islām als Religion für euch zufrieden.“ ((al-Maida: 3))

Wenn man sich in einer Debatte engagiert und sich völlig darauf konzentriert, entwickelt man zuweilen einen Tunnelblick, und nimmt nicht mehr war, was nicht Gegenstand der jeweiligen Debatte ist. Und daher kann es hilfreich, aber auch heilsam und befreiend sein, mal einen Schritt zurück zu treten und die eigene Sicht wieder zu erweitern, sie wieder auf den Horizont zu richten anstatt starr auf ein bestimmtes Objekt oder Thema vor uns.

Um konkret zu werden: es ist gut und richtig, auf antimuslimischen Rassismus hinzuweisen und auf die immer rasanter ansteigende Zahl von Anschlägen auf Moscheen und muslimische Einrichtungen in Deutschland.

Es ist gut und richtig, sich gegen im Namen des Islam begangene Verbrechen auszusprechen und gegen die Täter, ob in Deutschland oder anderswo.

Aber das kann und darf nicht alles sein, was muslimischen Aktivismus bestimmt, darf nicht alles sein, was unsere Identität  als Muslime bestimmt!

Der Islam ist so unendlich viel mehr als ein Gegenstand für Debatten um innere Sicherheit und Integration, und wir dürfen nicht dazu beitragen, dass er dazu verkommt. Wir sind begnadet mit dem Islam, geehrt mit dem Islam und wir tragen eine Verantwortung, der Erhabenheit von Allahs Religion Rechnung zu tragen. Es ist eine Verpflichtung, aber noch mehr ein Geschenk, und mit diesem Bewusstsein sollten wir durch unser Leben gehen. Natürlich spielt gesellschaftlicher Diskurs, spielen antimuslimischer Rassismus und Diskriminierungserfahrungen bis hin zur Gewalt eine wichtige Rolle, prägen gerade junge Menschen. Aber dem kann und muss jeder von uns entgegen wirken. Der Islam ist viel weniger eine Burg die verteidigt als ein Reichtum der geteilt werden sollte, mit allen Menschen und auf die schönste Art und Weise.

Vor über zwei Jahren veranstaltete der IHB Bremen ein großartiges Symposium mit dem Titel „Islam in Deutschland: Gestern-Heute-Morgen“. Einer der geladenen Referenten, Dr. Munir Ahmed Butt aus England, der über Erfahrungen von Muslimen mit „Migrationshintergrund“ in der englischen Gesellschaft berichtete, sagte etwas, das mir bis heute bestimmend im Gedächtnis geblieben ist:

„Was ihr anzubieten habt, ist wichtiger als das, was ihr fordert.“

Ein bedeutender Satz der leider bei der alltäglichen islamischen Arbeit - nicht nur, aber auch in der Hochschule – manchmal untergeht. Ja, aktive Muslime und in besonderem Maße Studierende und Akademiker, zukünftige Multiplikatoren und Menschen mit gesellschaftlichem Einfluss, sollen die Rechte, die muslimischen Bürgern hier zustehen, er- und islamfeindliche Ideologien und Akteure bekämpfen. Viele tun das schon, und das erfolgreich.

Aber es geht noch um mehr, um etwas Größeres. Wahrer Islam muss eine Quelle des Guten für alle Menschen sein, die mit ihm in Berührung kommen, wahrer Islam soll uns zu nichts weniger motivieren als in allen Bereichen des Lebens positive Spuren zu hinterlassen. Wenn wir ein Projekt, eine Organisation, eine Institution wie die Universität, einen Wohnort oder auch am Ende unseres Lebens diese Welt verlassen, soll sie besser sein, als wir sie vorgefunden haben.

Ein gewaltiger Anspruch, ohne Zweifel.

Aber mit nichts weniger als dem gewaltigen Anspruch, die Welt zu verändern, trug der Gesandte Allahs – Allahs Segen und Frieden auf ihm – den Islam in die Welt, und welcher Weg sollte der sein, dem wir folgen, wenn nicht seiner, welches Ziel sollte unser Ziel sein, wenn nicht seines, welche Motivation sollte uns beseelen, als die, die ihn beseelte.

Ob wir den Islam unmittelbar durch die aktive Einladung zu unseren Mitmenschen tragen; ob wir als Lehrer, Juristen, Mediziner, Sozialarbeiter, Polizisten, Journalisten, Krankenpfleger oder irgendeinem anderen Beruf mehr als den Broterwerb sehend versuchen, die Welt besser zu machen, oder ob wir uns ehrenamtlich engagieren, für Umweltschutz, Menschenrechte, Frieden, und gegen Armut, soziale Ungerechtigkeit…immer soll uns bewusst sein, wofür das alles ist, das wir Teil eben dieses großen Ganzen sind, das sich durch die Geschichte zieht bis zurück zum Propheten (s) und uns mit ihm verbindet.

Und das ist ohne Zweifel wertvoller, als Integrationsdebatten.

In diesem Sinne wünscht euch der Vorstand des RAMSA einen gesegneten Freitag und ein schönes Wochenende.