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Der Islam und Deutschland - Hochschulperspektiven auf eine Debatte

Dr. Uwe-Karsten Plisch
13.03.2014

Aufgabe von Bundespräsidenten ist es, das Offensichtliche noch einmal klar für alle zu formulieren. Richard von Weizsäcker hat sich mit seiner Rede zum 8. Mai 1989 dieser Aufgabe ebenso gestellt wie Christian Wulff am 3. Oktober 2010 mit seinem Satz: „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“

An deutschen Hochschulen ist diese Beobachtung aus verschiedener Perspektive augenfällig: Muslimische Studierende beten zur Mittagszeit unter Treppen, auf dem Campus oder in Räumen der Stille. An deutschen Universitäten wird mittlerweile nicht nur Islamwissenschaft gelehrt, sondern auch islamische Theologie.

Die Evangelische Akademie Wittenberg hatte es in Kooperation mit der Evangelischen StudentInnengemeinde in Deutschland (ESG) und dem ökumenischen Netzwerk „Initiative Kirche von unten“ (IKvu) sich zur Aufgabe gemacht, mit einer Tagung am 7. und 8. Februar 2014 das Thema „Islam und Hochschule“ aus Binnen- und Außenperspektive zu beleuchten. Zum Auftakt am Freitagabend gab Dr. Detlef Görrig, Referent für interreligiösen Dialog der EKD, einen historischen und aktuellen Überblick über das schwierige und konfliktträchtige Verhältnis der Kirchen zum Islam und Möglichkeiten und Wege der Verständigung. Am Samstagmorgen leistete Dr. Friedmann Eißler, Experte für Islamfragen der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen eine sehr einfühlsame und kenntnisreiche Annäherung an den Islam aus christlicher Sicht. Anschließend berichtete Tim Sievers von der Goethe-Universität Frankfurt a.M. von seiner persönlichen „Faszination Islam“, die für ihn nicht zuletzt in der pluralen Auslegungstradition des Koran besteht, die er an Textbeispielen aus Koran und Koranexegese eindrucksvoll vorführte.

Ein besonderes Augenmerk lag bei der Tagung darauf, vorrangig jüngere ReferentInnen aus dem Bereich der Studierenden und des wissenschaftlichen Nachwuchses zu Wort kommen zu lassen:

Sara Ziane Berroudja, Zahnmedizinstudentin an der MLU Halle, berichtete am Beispiel des Ramadan über Alltag und Feier im Hochschulkontext, Hatice Durmaz, Generalsekretärin des Rates muslimischer Studierender und Akademiker (RAMSA) berichtete über die Arbeit ihres Verbandes, gewissermaßen dem muslimischen Partnerverband der ESG. Dank der Tagung ergaben sich zwischen ESG und RAMSA viele neue Kontakte und Denkanstöße, die die weitere Zusammenarbeit sicher stark befruchten werden.

Sarah Albrecht, Islamwissenschaftlerin an der FU Berlin, berichtete über Veränderungen der Hochschullandschaft im Hinblick auf den Islam aus einer hochschulpolitischen Perspektive. In nachmittäglichen Workshops wurden die Impulse des Vormittags vertieft. Das entspannte und wohlwollende Abschlusspodium mit den ReferentInnen war bezeichnend für die gesamte Tagung: Zum ersten Mal stellte bei einer Tagung zum Thema Islam, an der ich teilgenommen habe, niemand die Frage nach den „eigentlichen“ Zielen der Muslime und dem „wahren“ Islam.

Dr. Uwe-Karsten Plisch ist ESG-Referent für Theologie, Hochschul- und Genderpolitik

Titelbild: Hatice Durmaz, RAMSA-Generalsekretärin