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Der andalusische Garten

18.09.2011
Andalusien war das bedeutendste Tor, für den Einzug weltenverändernder Wissenschaften, Intellektueller und Denker nach Europa. Doch legen wir hier ein besonderes Augenmerk auf die andalusische Gartenarchitektur und ihre charakteristischen Merkmale, welche die Verkörperung einer tiefen religiösen und spirituellen Sehnsucht waren. Weshalb spielte diese Kunst einst eine solch bedeutende Rolle für die damaligen Muslime in Spanien und wie kann es sein, dass gerade diese Kunst sowohl einen beeindruckenden Einfluss, als auch einen tiefen Eindruck auf die nachfolgenden christlichen Herrscher hinterließ, so dass auf ihr Geheiß die sehr geachtete orientalische Kunstfertigkeit sogar in die Neue Welt getragen wurde? Wie ist es möglich, dass selbst der heutige Prinz von Wales von dieser besonderen Gartenarchitektur fasziniert ist und sich einen Teil seines Gartens, nach dem andalusischem Stil hat gestalten lassen?
Der islamische Garten ist nach dem Konzept des Paradiesgartens im Koran angelegt. In ihm finden sich ungefähr 120 Verweise auf die Paradiesgärten.  Die Gärten wiederum werden mit verschiedenen speziellen Qualitäten beschrieben z.B. liest man vom Garten der Unsterblichkeit und Ewigkeit, jannat al-khuld; den Gärten der Glückseligkeit oder  Wonne, jannat al-na’im; den Gärten der Zuflucht, des Schutzes, des Aufenthalts, jannat al_ma’wa;  dem Garten Eden jannat ’Adhnin,  welcher für  die reinste und erfüllteste Art des Friedens und der Harmonie steht.  Aus diesen Beschreibungen kann man entnehmen, dass der Paradiesgarten nicht nur ein Ort ewiger Glückseligkeit und Wonne ist, sondern auch einem Ort des Rückzugs entspricht, der einem Schutz und Zuflucht fernab der Unruhen, der irdischen Welt, bietet. Es gibt jedoch laut Emma Clark, einer anglo-muslimischen Autorin und Gartendesignerin, eine Beschreibung, die im Koran am häufigsten verwendet wird und über 30 Mal vorkommt:
tajri min tahtiha al-anhar“, welches so viel bedeutet wie„Gärten unter denen Bäche fließen“.  Somit bleibt beim Lesen dieser Passsagen immer das  Bild eines Gartens mit fließenden Bächen, Wasserläufen und Quellen zurück.
Wasser spielt eine zentrale Rolle, in der Architektur des islamischen Gartens und diente den andalusischen Herrschern nicht nur zur Bewässerung ihrer Anlagen, sondern auch zur Demonstration ihrer Macht, wie auch zur geistigen Besänftigung, rituellen Reinigung und Kontemplation.  Da es, anders als bei persisch- oder indo- islamischen Gärten, über die spanisch-arabischen Gärten, in ihrer ursprünglichen Form keine pictoralen bzw. skizzenhafte Dokumentationen gibt, kann man sich nur anhand der Überbleibsel früherer Gartenanlagen und der noch intakt gehaltenen Gärten z.B. der Generalife (arab. Garten des Architekten, jannat al-arif) und der Alhambra orientieren.  Weiterhin bleibt zu erwähnen, dass diese Gartenanlagen in ihrer jetzigen Form, als authentische Vorlage mit Zurückhaltung zu betrachten sind.
Nachdem Granada zurückerobert wurde, fand laut James Dickie alias Yaqub Zaki, in einem Text, indem er die Typologie eines spanisch-arabischen Gartens anstrebt, ein Holocaust an muslimischen Manuskripten satt. Im Oktober 1501 ließ Kardinal und Großinquisitor  Jiménez de Cisneros auf dem Marktplatz von Granada einen Scheiterhaufen errichten und islamische Bücher der Theologie, Philosophie, Naturwissenschaften und Geschichte verbrennen. Medizinische Bücher wurden interessanterweise aufbewahrt. In dem Feuer wurden leider somit alle architektonischen Schriften sowie bautechnischen  Arbeiten zerstört. Selbst Wandteppiche  oder Dekors mit Gartenmotiven, wie jene des 18ten Jahrhunderts aus Persien, wurden nicht gefunden. Da Pflanzen keine statischen Artefakte sind, sondern fragile und sehr pflegeintensive Lebewesen sind, verändert die Flora ohne entsprechende Pflege ihre ursprüngliche Form und aus diesem Grunde kann hier schon nach einem Durchlauf der Jahreszeiten, keine sehr verifizierbare Schlussfolgerung gezogen werden. 
Der Niedergang Granadas, ging zeitgleich mit der Entdeckung Amerikas 1492 durch Christopher Columbus einher und das Tor für den Einzug neuer Pflanzensorten nach Spanien würde geöffnet. Dadurch fanden auch wesentliche Veränderungen in der andalusischen Gartenlandschaft statt. Kurz darauf folgte das Zeitalter der Renaissance und die italienische Palast- und Gartenarchitektur wurde innerhalb eines Jahrhunderts zum prägenden Bild Spaniens.
Als ursprüngliches Vorbild der andalusischen Gärten, diente der klassische Chahar Bagh. Das Wort bedeutet „vier Gärten“ und kommt aus dem persischen. Überlieferungen über den ältesten persischen Garten datiert man auf das Jahr 550 v. Chr. zurück. Der griechische Historiker Xenophon verwendet in seinen Schriften den Begriff „Parádeisoi“, was „von Mauern umgeben“  bedeutet. Das altpersische Wort „pairidaeza“  setzt sich aus “pairi“  (rundherum) und „daeza“ (Mauer) zusammen. Er führte das Wort in den griechischen Wortschatz ein  „paradeisos“  und hieraus lässt sich das Wort Paradies ableiten. In arabischen Schriften des Ibn al- Khatib wird das Schlüsselwort  „hayr“  zur Beschreibung der Gärten, der Alhambra verwendet. Das Wort steht für Lustgarten oder auch Jagdgarten und ist  laut James Dickie, das arabische Äquivalent zum griechischen „paradeisos“. Muslimische Gartenkunst gibt es wohl gemerkt in verschiedenen Interpretationen und Variationen auf der Welt verteilt. Dennoch ist ein Brunnen das Hauptmerkmal, kombiniert mit einer rechtwinkligen Anordnung und Symmetrie  der abgesenkten Blumenbeete.
Die Anzahl vier, könnte für die vier Himmelsrichtungen, Jahreszeiten und Elemente stehen. Die vier dreidimensionalen Quadrate, stehen für die solide, gefestigte Erde und Welt im übertragenen Sinne. Sehr charakteristisch für die andalusische Gartenarchitektur ist die „crucero“, d.h. eine kreuzförmige Anlage von zwei Wasserkanälen, die vom zentralen Brunnen bzw. Becken ausgehen und den Garten des Innenhofs in die bereits erwähnten vier gleich großen Quadrate einteilt. Die vier Kanäle, die das Wasser in den Brunnen bzw. das Becken leiten symbolisieren zum einen die vier Flüsse des Paradieses, welche Jayhān, Sayhān, Nīl und Furāt heißen und in der Bibel, im Buch Genesis die Namen Pischon, Gihon, Tigris und Euphrat tragen. Zum anderen wird an die Himmelfahrt des Propheten Muhammad s.a.s.  erinnert, der von vier Flüssen im Paradies berichtete, welche mit Honig, Milch, Wein und süßem Wasser gefüllt seien. Diese vier Flüsse werden auch in der Sure 47  im Koran, in der ungefähren Übersetzung als „Strömen von Wasser, das nicht verdirbt und Strömen von Milch, deren Geschmack sich nicht ändert und Strömen von Wein, köstlich für die Trinkenden und Strömen von geklärtem Honig“ beschrieben.
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Damit bestätigt sich der Gedanke, dass die Gestalter beim Bau der andalusischen Gärten versuchten dem Modell des Paradiesgartens zu übernehmen. Aufgrund der ästhetischen Schönheit, der Pracht der Blüten und Pflanzenvielfalt, welche durch die Komposition mit den aufwendig verzierten Kacheln, Mauerwerken und im besonderen den Palastanlagen ein himmlisches Bild mit einer wahrhaft paradiesischen Note darstellte, erzielten die Künstler nicht nur eine visuelle Stimulation, welche den Betrachter in einen Zustand tiefer körperlicher Entspannung und geistiger Klarheit versetzte, sondern sie vervollkommneten die visuelle Schönheit mit der sinnlichen, olfaktorischen Wahrnehmung von Blütendüften, Früchten, sowie auditiven Eindrücken durch  rauschende Wasserkanäle und Springbrunnen. Olfaktorische Mittel waren Pflanzen und Früchte, die entlang der Bewässerungskanäle, in geraden Ketten gepflanzt wurden. Dazu zählen z.B. Jasmin, Myrte, Champher, Orange, Limone, Rosen- meist weiß und gelb, Dattelpalmen, Feigenbäume, italienische Zypresse - welche als Zeichen der Ewigkeit und Sterblichkeit standen, Granatäpfel - als Zeichen der Fruchtbarkeit und weil sie im Koran als Früchte im Paradies erwähnt waren (Paradiesapfel), und weitere duftende Pflanzenarten.
Für die auditive Wahrnehmung setzten die Gartenarchitekten raffinierte Bewässerungstechniken ein.
Wasser wird im Koran als Gottes Segen und als  lebensspendend  bezeichnet. Durch den immerwährenden Fluss, des Wassers durch die Kanäle und die endlos sprudelnden Brunnen, entstand in den Gärten eine mystische Atmosphäre. Es schien als würde das Wasser aus dem Nichts hervorkommen, wie ein Segen Gottes, einer höheren allmächtigen Macht, die es schaffte den beständigen Kreislauf der Pflanzenpracht aufrecht zu erhalten und den Besucher mit einer erfrischenden Kühlung und durch Wasserspiele, wie z.B. Fontänen, Verwirbellungen und Terrassen  zu erfreuen. Da die pre-islamischen Araber in Wüsten lebten, erschien für sie die Vorstellung von grünen, prächtigen und Wasserreichen Paradiesgärten besonderes  verlockend. Deshalb sehnten die ersten Muslime sich danach, Gärten nach diesem Vorbild zu errichten, um die Wonne und Glückseligkeit eines Paradieses auf Erden nach zu empfinden. So auch in Andalusien, wo die langen Sommer meist extrem trocken und heiß waren. Hierzu bedurfte es einer komplizierten Bewässerungstechnik, die das Wasser mit gravitativem Druck durch Kanäle in die Gärten leitete. Meiner Meinung nach ist mit den heutigen Mitteln und der heutigen Technologie der damalige Aufwand kaum mehr zu vergleichen, dennoch ist das Bestreben und das Bewusstsein von Muslimen in Europa, Gärten in ihrer mittelbaren, wie auch unmittelbaren Umgebung, nach diesen Mustern zu gestalten, versiegt.
Die maurischen Künste bestimmten fast 800 Jahre die Architektur in Spanien und waren in der andalusischen Kultur fest verankert. Selbst 1363 als Córdoba  unter der Herrschaft  Peter I. von Kastiliens war, ließ er maurische Künstler, anfangs noch Mudejar genannt, aus dem letzten Kalifat Granada holen und den Alcázar von Sevilla, mit der zugehörigen Gartenanlage ausbauen. Weshalb nutzte er diese Gelegenheit nicht aus, um ein Monument zu errichten, das mit der klassischen muslimischen Tradition der Baukunst brach? Weshalb führte er diese Künste bewusst  weiter? Möglicherweise gab es  doch eine Symbiose, die sich über die Jahrhunderte hinweg manifestiert hatte.
María Luisa Fernández schreibt kritisch hierzu in ihrem Artikel, dass die Mudejar Kunst willkürlich von christlichen Königen eingesetzt wurde, um ihre Autorität gegenüber Minderheiten zur Geltung zu bringen, da diese Minderheiten diese Form der Autorität erkannten und auch anerkannten. Mit Minderheiten waren die spanischen Muslime gemeint. Die Mudejar Kunst erinnerte an eine glanzvolle Vergangenheit, islamischer Herrschaft in Andalusien und an diese ruhmreiche Phase knüpften die späteren christlichen Bauten, unter Anleitung Peter I.  an. Er nutzte diese Möglichkeit, um der Mudejar Kunst und seiner Macht eine neue Ausdrucksform zu geben. Zum Beispiel fand man im Alcázar von Sevilla arabische Schriftzeichen, die nicht in gewohnter Weise islamische Inschriften enthielten, sondern den „Sultan“ Don Pedro verherrlichten.
Meiner Meinung nach war die maurische Architektur trotz allem, der Geist dieser besonderen Epoche. Diese besonderen Künste und Gartenarchitektur bildeten Brücken zwischen den Religionen und überzeugten durch ihre  effektvollen Techniken und Schönheit. Jeder Betrachter, gleich welcher Religion, konnte sich der überwältigenden Wirkung künstlerischen Könnens nicht entziehen, sondern musste sie aufrichtig anerkennen. So kam es auch dass die Synagoge von Toledo „El Transito“ und die von Santa Maria la Blanca, wie auch die Kathedrale von San Salvador oder von La Seo,  im Mudejar Stil gebaut wurden. Und sonst wäre es nicht zu erklären, weshalb diese maurischen Künste auch in der neuen Welt zu finden sind. Schließlich gehörten die dortigen Minderheiten einer völlig anderen Kultur an.
1492  eröffnete Christoph Columbus die Pforte, zur spanischen Kolonisation Latein Amerikas. Die indigene Bevölkerung wurde zwangsmissioniert und  zum Besitz der spanischen Krone erklärt. Prof. Diego Angulo vermerkt interessanterweise, dass sich nicht wie möglicherweise zu erwarten gewesen wäre die indigene Baukunst mit der gothisch- spanischen Version vermischt hatte. Vielmehr fand man einen erkennbaren Einfluss des mujedar Stils wieder. Es entstand eine Mischform aus mudejar und spanisch- gothischen Einflüssen, die prägend für die neue Welt waren. Man könnte es auch als eine Art Kultur-Imperialismus betrachten, bei der die indigene Indio-Architektur  der, der Kolonialherren unterlag. Die Mudejar Kunst wurde unwillkürlich ein Teil des Ganzen.
Wie hier zu sehen findet sich nach mudejar Bauart ein Patio mit dem zentralen Brunnen in der „Quinta de Anauco“, in Caracas wieder.
 
Gegenwärtig findet man in Europa Künstler, als auch Privatpersonen, die die Kunst des muslimisch-andalusischen Gartens am Leben erhalten. Wie oben erwähnt gehört Prinz Charles zu einer der bekanntesten Schätzer dieser alten morgenländischen Gartenkunst. Er selbst zeichnet sich durch seine beeindruckende Wertschätzung und Faszination für muslimische Künste aus.  Wer hätte geahnt, dass ausgerechnet zwei seiner anatolischen Teppiche für sein Projekt als Inspiration ausreichten, um von der Queen mit einer Silbermedaille ausgezeichnet zu werden.  Bei der letzten „Chelsea Flower Show“, war er Ideenstifter und ließ einen Garten nach dem Muster seiner Teppiche nachbauen. Bei der Form des Gartens, handelte es sich um den klassischen Chahar Bagh, die er mit der Unterstützung Emma Clarkes getreu den Maßstäben eines idealen islamischen Gartens verwirklichen konnte, und es ferner noch zu einem festen Bestandteil seiner Gartenanlage auf seinem Landsitz Highgrove House installieren ließ.
Durch eine solche Aufwertung islamischer Künste, werden sich eine immer größer werdende Anzahl Muslime und Nichtmuslime über den Stellenwert dieses fast verlorenen kulturellen Schatzes bewusst und versuchen Gärten, Parks, Familienrefugien und sogar Schulgärten in ähnlicher Weise zu gestalten. So wird auch bei ihren Mitmenschen ein verstärktes Wiedererwachen der Liebe zur Natur und zu einem stärker werdenden Umweltbewusstsein gefördert. Andalusien hat ein Erbe hinterlassen, dessen Schönheit und Friedlichkeit immer noch vorbildlich für ein Modell einer vereinten Kulturentwicklung sind. Gerade weil die Differenzen heutzutage, als unüberwindliches Problem dargestellt werden, leuchten solche Erfolge aus der Vergangenheit umso heller auf, wie ein leuchtender Wegweiser der Hoffnung, für ein Miteinander aller Erdenbewohner in einer gemeinsam gestalteten Welt.                                                                                                                                                                                                                                              Hanifa Aggiy          
                                                                                                                              

Quellen:
Koran :  25:15; 56:12; 32:19; 18:30; 61:12
http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/gen2.html
Voices of Islam: Voices of art, beauty, and science, von Vincent J. Cornell
Illustrierte Geschichte der Gartenpflanzen, von Penelope Hobhouse
http://www.kerstinsailer.de/03_wissenschaft/1_projekte/garten.pdf
Spain, 1469-1714: a society of conflict, von Henry Kamen
http://de.wikipedia.org/wiki/Jim%C3%A9nez_de_Cisneros
http://www.harunyahya.de/bucher/glauben/quran_lernen/quran_lernen_14.php
http://enzyklopaedie-islam.de/begriffe/g/granatapfel.htm
www.taj-mahal.net/.../gardenparadise4.jpg
http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/48336.html
The legacy of Muslim Spain, Teil 1, von Salma Khadra Jayyusi, Manuela Marín
The Downfall of Islamic Spain, von Prof. Dr. T.B. Irving; http://www.imamreza.net/eng/imamreza.php?id=7114
http://www.saudiaramcoworld.com/issue/199301/second.flowering-art.of.the...
http://www.totallyspain.com/spain_travel_itineries.asp?id=24
 The Mudejar Style in Mexican Architecture,  by  Diego Angulo and Helen B. Hall
Ars Islamica, Vol. 2, No. 2 (1935)

Architecture and urbanization in colonial Chiapas, Mexico von Sidney David Markman
http://www.west.net/~rperry/Chiapas/fountain.html
http://www.google.de/imgres?imgurl=http://www.caracasvirtual.com/Fotos/A....
http://www.princeofwales.gov.uk/speechesandarticles/a_speech_by_hrh_the_...
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http://www.rotala.de/data/reisenimgs/1119618904_1.jpg